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31.05.2017

Wege zur Mitbestimmung – Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung

Ergebnisse der Fachtagung zum Thema „Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung“ der Immanuel Diakonie Südthüringen in Schmalkalden am 19. Mai 2017.
Immanuel Diakonie Südthüringen - Schmalkalden - Nachrichten - Fachtagung zum Thema Wege zur Mitbestimmung

Der Fachbereichsleiter Behindertenhilfe (re.) und das Referententeam von der Lebenshilfe Vorarlberg in Österreich zum Abschluss der Fachtagung „Wege zur Mitbestimmung – Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung“ in Schmalkalden/ Thüringen.

Am 19. Mai 2017 lud die Immanuel Diakonie Südthüringen zur vierten Fachtagung im Bereich Behindertenhilfe nach Schmalkalden ein. Knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an der Veranstaltung teil, neben Mitarbeitenden und Bewohnern aus der gastgebenden Einrichtung auch gesetzliche Betreuer und Mitarbeitende anderer Einrichtungen der Behindertenhilfe in Thüringen. Die Referenten der Tagung, Friedrich Gföllner, Klaus Brunner und Siegfried Glössl, sind bei der Lebenshilfe Vorarlberg in Österreich tätig und entfalteten am Vormittag das thematische Spektrum am Beispiel ihrer Erfahrung.

Welche Rechte haben Betroffene?

Zum Thema Inklusion stellten sie klar, dass Barrierefreiheit nicht nur die Beseitigung äußerer Hindernisse meint, sondern auch die Beseitigung von Barrieren in den Köpfen und die Anwendung der Leichten Sprache. Im Verlauf der Tagung ermutigten die Referenten ihre Zuhörerinnen und Zuhörer wiederholt, von staatlichen Stellen und unter Berufung auf die UN-Menschenrechtskonvention finanzielle Mittel einzufordern und sich mit Nachdruck für eine Umsetzung der Selbstvertretung zu engagieren. Wichtig hierbei ist, dass Selbstvertreter in politische Prozesse eingebunden sind. Sie haben eine Beraterfunktion und müssen Politikerinnen und Politiker von der kommunalen bis zur Landesebene darüber informieren, was für die Betroffenen gut ist.

Was für Betroffene und Mitarbeitende wichtig ist

Die Referenten lieferten Impulse zum Umdenken sowohl für Menschen mit Beeinträchtigungen als auch für Mitarbeitende.

Für Menschen mit Beeinträchtigungen ist es zum Beispiel wichtig zu wissen:
  • „Ich kann etwas für die Gemeinschaft tun.“
  • „Ich hole mir Unterstützung.“
  • „Ich lerne durch Ausprobieren dazu. Aus Fehlern wird man klug, darum kann man auch Fehler machen.“
  • „Jeder Mensch ist wichtig.“
Mitarbeitende sollten in ihrem Handeln und Auftraten hingegen bedenken:
  • „Ich nehme mich zurück und traue Menschen mit Beeinträchtigungen etwas zu.“
  • „Ich lasse Erfahrungen zu.“
  • „Ich unterstütze auf Augenhöhe und begegne den Wünschen der Menschen mit Beeinträchtigungen mit Respekt und Achtung.“
  • „Ich biete mein Wissen an.“
  • „Ich erkenne, dass auch allerkleinste Schritte wichtig sind.“

Wie lässt sich Mitbestimmung umsetzen?

In einem Workshop gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Frage nach, wie Selbstvertretung in Thüringen entwickelt werden kann. Dabei wurden Ideen gesammelt, was Menschen mit Beeinträchtigung, was Mitarbeitende und Fachkräfte und was Organisationen tun können, um Mitbestimmung zu gewährleisten.

Menschen mit Beeinträchtigung können sich etwa mehr zutrauen, etwas zu bewegen. Denn falsch ist es, nichts zu tun. Sie können häufiger Wünsche äußern und monatliche Sprechstunden des Bewohnerbeirates anbieten.
Die Mitarbeitenden und Fachkräfte können dadurch unterstützen, dass sie sich und den Bewohnern mehr Zeit geben, dass sie zugewandt und entspannt im Umgang sind und mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner und deren Anliegen einplanen.

Auch Organisationen können sich auf unterschiedliche Weise für eine Umsetzung der Selbstvertretung stark machen: Sie können mehr Personal bereitstellen sowie Technik zur Verfügung stellen, die Kommunikation erleichtert oder möglich macht (z. B. Sprachcomputer). Sie können die Fortbildung von Bewohnerbeiräten und ihren Unterstützern gewährleisten und Schulungen zu Rechten der Bewohnerinnen und Bewohner anbieten. Das Thema Mitbestimmung könnte des Weiteren in einer Stabsstelle angesiedelt sein. Organisationen können bei Regierungsstellen für eine stärkere gesellschaftliche Beachtung des Themas werben und finanzielle Mittel zur Umsetzung der Selbstvertretung beantragen.

Erste Ergebnisse der Fachtagung

Wichtig war den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung, was man in Thüringen noch von Lebenshilfe Vorarlberg lernen kann. Ein Aspekt war hier zum Beispiel das Einklagen von Barrierefreiheit bei kommunalen und anderen Stellen.

Als Fazit der Veranstaltung bleibt, dass Selbstvertretung in Thüringen noch in den Kinderschuhen steckt, die Fachtagung selbst aber einen guten Startpunkt zur Umsetzung dieses wichtigen Themas bildet. Denn hier und insbesondere in den Workshops gab es eine gute Mischung aus Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeitenden und alle konnten Ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen. Vorrang hat nun, sich bei diesem Anliegen mehr öffentliches Gehör zu verschaffen. Dabei müssen die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitarbeitenden und die Einrichtungsleitung an einem Strang ziehen. Einen ersten konkreten Schritt zur Stärkung der Selbstvertretung vor Ort gibt es ebenfalls: Der Bewohnerbeirat wird an der nächsten Sitzung des Behindertenbeirates der Stadt Schmalkalden teilnehmen.

Rainer Kühnel

Fachbereich Behindertenhilfe, Immanuel Diakonie Südthüringen, Mai 2017

Mehr Informationen zur Arbeit der Einrichtung für Menschen mit Behinderung bei der Immanuel Diakonie Südthüringen.

 
 
 
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