Nachrichten-Archiv
Dafür schlägt das Herz der Diakonie: Gerechtigkeit
In einem Impuls zum Tag der Arbeit am 1. Mai geht Pastor Thorsten Graff auf die Traditon des Feiertags und die Bedeutung von Gerechtigkeit in der Diakonie ein.Was feiern Sie am 1. Mai?
Der Maifeiertag hat eine lange und vielfältige Tradition. Zum ersten Mal wurde dieser Tag 1890 zum Gedenken der Opfer einer blutigen Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und der Polizei in Chicago in den USA gefeiert. Die Beschäftigten hatten für die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages demonstriert. In Deutschland konnte sich die Idee eines Feiertags für die Arbeiterbewegung erstmalig 1919 durchsetzen. Im geteilten Deutschland war der 1. Mai im Osten „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“. Im Westen wurde der Festtag von den Gewerkschaften für politische Kundgebungen genutzt. Für Schlagzeilen sorgt der Maibeginn in jüngerer Zeit immer wieder durch Unruhen und gewalttätige Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit linksradikalen Demonstrationen in Berlin-Kreuzberg und anderswo.
Kampftag, Protesttag, Feiertag – auf dem „roten Faden“, der sich durch diese unterschiedlichen Traditionen hindurchzieht, steht ein zentrales Wort: Gerechtigkeit. Dieses Stichwort spielt auch in der christlichen Tradition eine große Rolle. Deshalb hat der 1. Mai, obwohl kein kirchlicher Feiertag, ebenfalls für viele Christinnen und Christen eine Bedeutung. In der „Gerechtigkeits-Bibel“ der Micha-Initiative sind zum Beispiel über 3000 Stellen besonders hervorgehoben, in denen es um Armut und Gerechtigkeit geht. Das große Gewicht dieses Themas in der Bibel lässt keinen Zweifel zu: Gott steht nicht auf der Seite der Reichen, Starken und Mächtigen, sondern an der Seite der Armen, der Benachteiligten und derer, die von der Gunst anderer abhängig sind.
Diese Solidarität Gottes mit den Hilfsbedürftigen und Notleidenden gehört auch zur DNA der Dia-konie. Denn Not und Ohnmacht sind in vielen Fällen die Folge ungerechter Verhältnisse. Weil Gott sich vor allen anderen den einfachen und kleinen Leuten zuwendet, engagieren sich Christinnen und Christen für Menschen in herausfordernden Lebenssituationen. So zum Beispiel Albertine As-sor, die heute vor 115 Jahren die Diakoniegemeinschaft Siloah ins Leben rief, aus der das Alberti-nen Diakoniewerk und später die Immanuel Albertinen Diakonie hervorgingen.
Das Thema Gerechtigkeit fordert die Immanuel Albertinen Diakonie als diakonischer Betreiber von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Hospizen, Kindertagesstätten etc. aber auch auf andere Weise heraus. Denn in all ihren Einrichtungen arbeiten Menschen. Sie können im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zum einen eine faire Entlohnung und zum anderen Arbeitsbedingungen und Umgangsformen, die ihnen gerecht werden, erwarten.
Was das heißt, das kommt auch in unserem neuen Leitbild zum Ausdruck. Von Menschlichkeit, Respekt, Wertschätzung, Achtsamkeit, Fürsorge, Solidarität, Toleranz, Vertrauen und Nachhaltig-keit ist dort die Rede. Diesen Werten zu folgen, das ist und wird immer eine große Herausforderung bleiben. Leider werden wir nie den Himmel auf Erden erreichen und sagen können: „Jetzt sind wir am Ziel!“ Eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird bleiben. Nie dürfen wir uns jedoch dadurch entmutigen lassen. Nie dürfen wir aufhören im Bemühen, stetig besser zu werden. Ge-rechtigkeit mag ein schöner Traum sein. Wirklichkeit kann etwas davon nur werden, wenn Men-schen auch weiterhin dafür auf die Straße gehen - und in die Patientenzimmer, die Therapieräume, die Spülküchen, die Büros, die OPs, die Stationszimmer, die Werkstätten, die Fahrerkabinen…